Ich bin Kriegsdienstverweigerer.
2001 habe ich Zivildienst beim Roten Kreuz gemacht, in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung. Nachtschichten, Pflegedienste, Fahrten zu Therapien, Gespräche am Küchentisch um drei Uhr morgens. Schweiß, Desinfektionsmittel, Tränen — und viel, sehr viel Menschlichkeit. Rückblickend habe ich damals gelernt, was Dienen und Verantwortung wirklich heißt. Nicht, dass ich davon nicht schon ein wenig Ahnung hatte, da ich die Jahre davor der Ersatzpapa für meine Geschwister war (warum und weshalb erkläre ich ein ander mal…).
Heute bin ich fünffacher Vater. Und ich sage: Ich befürworte die Rückkehr der Wehrpflicht — nicht aus Lust an Uniformen oder Faszination am Krieg, sondern aus Verantwortung. Weil die Welt rauer geworden ist. Weil Freiheit nie gratis war. Und weil Abschreckung nicht aus Parolen besteht, sondern aus Menschen, die im Zweifel bereit sind, den Laden zusammenzuhalten. Vor allem jedoch, weil man Dienen kann, ohne zu kämpfen!
ABER: Ich will meine Kinder nicht an der Front sehen. Punkt.
Wenn sie eines Tages selbst zur Bundeswehr wollen: Ich werde hinter ihnen stehen, mit all meiner Angst und all meinem Stolz. Aber ich werde alles daran setzen, ihnen eine Alternative zu zeigen: Ersatzdienst. Zivil. Sozial. Sinnvoll.
Warum? Weil ich weiß, was dieser Dienst mit einem macht. Er macht Dich nicht härter, er macht Dich tiefer. Du lernst, was es heißt, gebraucht zu werden. Du lernst Demut. Du siehst, wie dünn die Schicht ist, die unser Leben warm und hell hält — Pflege, Rettung, Inklusion, Katastrophenschutz, psychosoziale Hilfe, auch digitale Sicherheit. Menschen, die sonst niemand sieht, aber die wir alle brauchen.
Meine Haltung in einem Satz:
Waffen oder Windeln? Mir egal — Hauptsache Verantwortung.
Wenn wir die Wehrpflicht zurückholen, dann bitte richtig und für alle (Männlein und Weiblein) :
- Wahlmöglichkeit mit Gewicht: Bundeswehr oder Ersatzdienst — beides ist Dienst am Land.
- Respekt und faire Bedingungen: Kein Lückenbüßer-System. Anständige Bezahlung, klare Ausbildung, echte Qualifikationen, die später etwas wert sind.
- Breiter Dienstbegriff: Pflege & Rettung, Inklusion & Schule, Katastrophenschutz & Feuerwehr, Obdachlosenhilfe, Cyber-/IT-Schutz. Die Schwachstellen von heute sind nicht nur an der Grenze, sie sind auch am Router, im Krankenhaus und in der Turnhalle.
- Familien & Care-Arbeit mitdenken: Wer zu Hause Angehörige pflegt, leistet bereits — anerkennen statt bestrafen.
- Haltung statt Heldengeschichten: Kein Romantisieren von Krieg. Es geht um Verteidigung und Zusammenhalt, nicht um Hurra.
Vielleicht ist das der Kompromiss, mit dem wir leben können: eine Pflicht, die Wahl lässt — und eine Gesellschaft, die beide Wege achtet. Ich bin damals aus Gewissensgründen nicht zur Truppe gegangen und würde diese Entscheidung wieder so treffen. Und trotzdem glaube ich: Wir brauchen heute wieder eine gemeinsame Grundlinie. Nicht, damit unsere Kinder kämpfen müssen, sondern damit sie es vielleicht nie müssen.
Ich habe im Zivildienst Menschen aus dem Bett in den Rollstuhl gehoben. Heute hebe ich das Thema wieder auf die Tagesordnung. Dieser kommende Pflichtdienst ist nicht das Gegenteil von Freiheit. Er ist die Anstrengung die Freiheit zu schützen!
Mein „Ja“ für die Wehrpflichthängt also vor allem an der Möglichkeit, dass es immer Menschen geben wird, die freiwillig an die Waffe wollen und andere den Ersatzdienst wählen.
Wenn meine Kinder mich einst fragen, wie sie entscheiden sollen, ist die Antwort einfach:
„Folge frei Deinem Herzen. Und komm bitte heil nach Hause.“

